Ein wenig Leben

 

Wut, Angst, Schrecken, Fassungslosigkeit, Dankbarkeit, Hoffnungslosigkeit, Erschütterung, Ungläubigkeit. Dieser Roman hat so viele Emotionen in mir geweckt, wovon die meisten allerdings keine guten sind. Die Geschichte ist wirklich krass. Krass und schrecklich und sie wird mich mit Sicherheit noch länger beschäftigen.

Aber erstmal: Worum gehts? 

Es ist echt schwer, das komplett ohne zu spoilern zu sagen... Auf jeden Fall dreht sich die Geschichte um die Freundschaft von Willem, Malcolm, JB und Jude, die sich am College kennenlernen. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Es geht um ihr Leben, vor allem um das von Jude. Der Klappentext verrät: "Wie ein schwarzes Loch werden die Freunde in Judes dunkle. schmerzhafte Welt hineingesogen, deren Ungeheuer nach und nach hervortreten". Der Roman erzählt die Geschichte seines Lebens, von Anfang bis zum Ende, aber nicht in chronologischer Reihenfolge. Nach und nach kommen immer mehr Details ans Licht, von denen eines schrecklicher ist als das andere. Und nach und nach versteht man, wie Jude zu dem gebrochenen Menschen geworden ist.

Jetzt mal Klartext - hier wird ein ganz bisschen gespoilert

Das Buch ist auf keinen Fall etwas, für Menschen, die selbst Opfer von (sexueller) Gewalt geworden sind. Denn genau das wird sehr präzise geschildert. Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, mentale/sexuelle/körperliche Gewalt, Selbstverstümmelung, Selbstmordgedanken. All das nimmt viel Platz in der Erzählung ein und man will die Augen verschließen und das Buch an die Wand werfen. 

Meine Meinung

Unterm Strich ein wirklich schreckliches Buch, das absolut grandios ist. Ich wollte mir beim Lesen die Augen zu halten und nicht wissen, wie es weiter geht. Gleichzeitig konnte ich es nicht aus der Hand legen. Es hat mich ungläubig zurückgelassen und ich musste mir immer wieder einreden, dass es nur eine Geschichte ist. Was viel mehr wiegt: Sowas passiert wirklich. Es gibt Menschen, die solches Leid erfahren und deren Leben auf diese Weise schon in ihrer Kindheit zerstört wird. 
Meiner Meinung nach ein wirklich wichtiges Buch. Nie zuvor wurde mir so stark vor Augen geführt, wie sehr die Kindheit und einzelne Erlebnisse das ganze Leben prägen. Ich habe jetzt eine tiefe Dankbarkeit in mir, dass ich so behütet aufgewachsen bin und mehr als nur "ein wenig Leben" habe. 
Über den Inhalt insgesamt hinaus fand ich aber, dass sich das Buch an manchen Stellen doch sehr gezogen hat. Vor allem am Ende habe ich noch mit einem Knall gerechnet, der ausblieb. Deswegen haben mich die letzten 100-200 Seiten etwas enttäuscht. Alles in allem aber ein Buch, das ich gerne gelesen habe (wenn man das so sagen kann...).

Meine Bewertung

"Ein wenig Leben" hätte aufgrund des Gewichts seiner Thematik 10 Sterne verdient. Auch die Erzählweise in einzelnen Rückblenden und Vergleiche wie mit dem Gleichheitsaxiom (für die, die es schon gelesen haben), fand ich wirklich sehr, sehr gelungen. 
Wie gesagt war es mir aber an manchen Stellen zu ausgedehnt und stellenweise tatsächlich auch etwas langweilig. Ich glaube, 200/300 Seiten weniger, hätten es auch getan.
Insgesamt gebe ich 8/10 ⭐️ und kann das Buch jedem ans Herz legen, der keine leichte Lektüre sucht, sondern sich auf eine Geschichte einlassen möchte, die einem die knallharte Realität von Opfern ausgelebter Pädophilie und von Missbrauch vor Augen hält. Wer beim Lesen mal so richtig sauer und verzweifelt sein möchte, sollte dieses Buch auf jeden Fall mal in die Hand nehmen.

x Hannah






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